Steinbach und das deutsch-polnische Verhältnis

Betrachtet man die Diskussion über die Entsendung von Erika Steinbach, Präsidentin des BdV, in die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, die sich für das neue Vertriebenenzentrum verantwortlich zeichnet, so kann man natürlich denken, dass die Diskussion irgendwie schon seit der Großen Kuschelkoalition unterschwellig gärte. Jetzt gewinnt die Diskussion aber endlich mal an Fahrt, da sich die FDP (Gott segne sie) entschieden gegen eine Entsendung von Steinbach stellt. Wie kann man jemanden in eine Stiftung, die Versöhnung im Namen trägt, entsenden, der in Polen sich ausgesprochener Unbeliebtheit erfreut? Wie kann die CSU behaupten, dass das das Problem der Polen ist? Von welcher Ignoranz zeugt so ein Denken? Die Geschichte der Vertreibung ist eine deutsch-polnische Geschichte und belastet nach wie vor das Verhältnis der Staaten zueinander. Von Freundschaft möchte ich aus eigener Erfahrung nicht so gern sprechen. Viele Polen lernen aus rein wirtschaftlichem Kalkül Deutsch, stehen Deutschen allerdings sonst nicht besonders positiv gegenüber. Verständlich, dass die Aussöhnung stockt, wenn ein Großteil der polnischen Schüler Deutsch lernt, zumeist schon als erste Fremdsprache in der Grundschule, dagegen nur 1 % der deutschen Schüler einen Polnisch-Kurs besucht haben. Erika Steinbach erfreut sich in Polen keiner Beliebtheit, ob der Tatsache, dass sie damals bei einer Abstimmung über die Endgültigkeit der Oder-Neiße-Grenze zu Polen gegen dieses Gesetz stimmte. Während also polnische Politiker, die lange nicht die deutsch-polnische Grenze in Frage stellen als Rechtspopulisten verschrien sind, wird Frau Steinbach wie ein nationales Gut behütet.

Die Position, die sich die FDP in diesem Kontext ausarbeitete, dass die polnisch-deutschen Beziehungen mehr wert sind als eine bedingungslose Entsendung von Frau Steinbach in den Stiftungsrat, ist meiner Ansicht alternativlos. Seit Brandt tat sich im Bereich Osteuropa-Politik nichts Weltbewegendes mehr. Politiker beschwören zwar das beste deutsch-polnische Verhältnis aller Zeiten, aber bedenkt man die deutsch-polnische Vergangenheit mag das noch nicht so viel heißen. Eine Entsendung Steinbachs spielt polnischen Rechtspopulisten nur in die Hände, die sich genüßlich in ihrer Opferrolle suhlen und damit auf Stimmenfang gehen. Mit der CSU-Mentalität „Scheiß auf die Polen.“ in etwas höflicherer Form ausgedrückt zwar, kommt man in einem Europa ohne Grenzen nicht weit. Die deutsche Wirtschaft beruht auf polnischen Arbeitskräften wie kaum eine andere europäische Wirtschaft und statt über polnischen Rechtspopulismus zu schimpfen, könnte man wesentlich mehr in den zwischenstaatlichen Austausch investieren und ein Schritt in die Richtung zu mehr Versöhnung und einer engeren Bindung könnte die Nicht-Entsendung Steinbachs sein. Guido, mach dein Ding!

2 Antworten to “Steinbach und das deutsch-polnische Verhältnis”

  1. thielus Says:

    Steinbach ist sicherlich nicht mit diplomatischem Talent gesegnet. Aber, auch wenn ich bekanntermaßen nichts mit der CSU anfangen kann, ein Körnchen Wahrheit steckt doch in ihrer Aussage. Man kann doch nicht die Ernennung einer deutschen Vertreterin in solch einen Stiftungsrat davon abhängig machen, was irgendwelche polnischen Rechtspopulisten (um deinen Terminus aufzugreifen) dazu zu meinen. Wir reden hier von den gleichen Personen, die die Toten des zweiten Weltkrieges auf die Stimmengewichtung Polens in der EU anrechnen lassen wollten. Egal wen „wir“ in den Stiftungsrat entsenden – und sei es Lukas Podolski – man findet immer irgendwas.

    Davon abgesehen repräsentiert Erika Steinbach die Vertriebenenverbände. Ich teile zwar in keinster Weise die historischen und politischen Vorstellungen dieser Vereine, aber wenn man eine deutsch-polnische Stiftung gegen Vertreibung installieren will, dann hat der BdV das Recht, mit am Tisch zu setzen. Das hat nichts mit Deutschtümelei, Geschichtsrevisionismus oder einer wie auch immer gearteten Aufrechnung von Unrecht zu tun (das muss man heutzutage ja immer dazuschreiben, irgendeiner kriegt es ja immer in den falschen Hals). Und wen der BdV an den Konferenztisch setzt, entscheidet er immer noch selbst. Ob das jetzt unbedingt Frau Steinbach sein muss oder jemand anderes, lasse ich mal dahingestellt. Wie gesagt: Egal wen der BdV dort hinsetzt, er (oder sie, wir sind ja alle durchgegendert) wird wahrscheinlich als Marionette Steinbachs angesehen werden. Insofern würde ich das Ganze jetzt nicht überbewerten. Westerwelle hat ein kleines außenpolitisches Thema gefunden, bei dem er nicht viel falsch machen kann und bei dem ihm die Kanzlerin ausnahmsweise mal nicht die Schau stielt.

  2. adulto Says:

    Die gute Frau Steinbach erfreut sich nicht nur bei polnischen Rechtspopulisten keiner Beliebtheit. Die Abneigung reicht in alle politischen Kreise. Insofern wäre es eine große Geste gegenüber der polnischen Seite, die im letzten Jahrhundert weit mehr unter Vertreibungen litt, mal auf die polnische „Volksseele“ zu hören. Dieses Thema technokratisch zu betrachten, wird der emotionalen Aufgeladenheit nicht gerecht. Lukas Podolski wäre gar keine so schlechte Wahl.

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