Das einzige Wesen, das bewiesen hat, dass es sich selbst auslöschen kann…

Klar, jeder kennt die Bilder von den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki. Jeder Mensch auf der Welt lernt es in der Schule oder nicht? Ich erinnere mich nicht daran, dass wir dieses Thema im Geschichtsunterricht auch nur angeschnitten hätten. Japanische Geschichte bleibt absolut außen vor und man kann jeden Abiturienten fragen, was am 6. August 1945 geschah, die wenigsten Leute werden es wissen. Die erste Zündung einer Atombombe über bewohntem Gebiet, über Hiroshima. Wenn man sich ein wenig einliest in die Materie, laufen einem Schauer über den Rücken. Weit über 90 % der damaligen Bevölkerung starben (Langzeitschäden eingerechnet), man liest Berichte wie Menschen vor der Hitze und den Bränden in den Fluss flohen, nur um dort mit stark kontaminiertem Wasser in Berührung zu kommen und an Folgeerkrankungen zu sterben. Die berühmten eingebrannten Schatten-Konturen, die alles waren, was von manchen Menschen übrig blieb, erblindete Menschen, Menschen mit starken Verbrennungen. Ja, Menschen. Die Japaner waren Menschen. Auch wenn in einer Umfrage während des Krieges von einem Großteil der Bevölkerung die komplette Ausradierung der japanischen Rasse gefordert wurde. Sie waren Menschen, sie sind Menschen und auch wenn das Ziel die Rüstungsindustrie in Hiroshima war, der Einsatz der Atombombe ist nie im Leben von keinem Menschen dieser Welt zu rechtfertigen. In Tôkyô wurde die Rüstungsindustrie durch konventionelle Bombardements ebenso ausradiert, jedoch ohne alles zivile Leben zu töten. Ziel der Atombombe kann es nicht gewesen sein die Rüstungsindustrie in Schutt und Asche zu legen, der Sinn und Zweck war pure Machtdemonstration, schließlich stand der Kalte Krieg vor der Tür. Diese These vertritt eine überwältigende Mehrzahl der Historiker.
Die amerikanische Regierung (als Lehre aus der verlustreichen Invasion Okinawas) bestand auf der Darstellung, dass man mit einer Atombombe die Invasion auf dem Festland vermeiden und so Hunderttausende amerikanische Soldaten retten könnte. Fakt ist, dass selbst das amerikanische (!) Militär mit maximal 25 000 bis 45 000 Toten bei einer Invasion rechnete. In Hiroshima starben allein bei der Explosion der Bombe selbst ca. 115 000 Menschen.

Die Abwürfe sind Kriegsverbrechen. Nichtsdestotrotz wurden sie nie strafrechtlich untersucht und niemand wurde demensprechend verurteilt. Heil Amerika! Der Beweis ist erbracht, dass auch Demokratien zu Kriegsverbrechen fähig sind. (Die GIs beweisen es auch immer wieder aufs Neue…) Wenn man eine Diskussion führt, wieviel ein Menschenleben wert ist, darf man ruhig bedenken, dass 45 000 Amerikaner so viel wert sind wie über 300 000 Japaner und Koreaner. Wenn man dann noch die Opfer in Nagasaki dazunimmt, ist es doch fast Zynismus, dass sich Amerika zu dieser Zeit als Bewahrer der Menschenrechte profilierte. Wie ist das möglich, wenn man gleichzeitig Menschenleben gegeneinander aufwiegt? Und dann noch so ungerecht aufwiegt: nicht 1:1 sonder 10:1?

Der Friedenspark in Hiroshima ist da echt eine Reise wert, wenn man die Grausamkeit dieser Waffe direkt vor Augen geführt haben möchte. Es gibt auch eine sehr gut gemachte Homepage (http://www.pcf.city.hiroshima.jp/top_e.html), allerdings auch die Japaner (so sehr dieses Museum Abrüstung und Pazifismus vertritt) baden nicht in Unschuld. Der Friedenspark und die Opfer werden instrumentalisiert, um die japanische Nation in eine Opferrolle zu propagieren. Das erinnert bisweilen an Shakespeares „King Lear“, der an seiner eigenen Tragödie maßgeblich Schuld hatte (ohne dass dies dem Leser auf Anhieb klar wird). Makaber ist auch das gegenseitige Überbieten einiger Staaten mit Opferzahlen. „Ja, wir Chinesen hatten das Nanjing-Massaker.“ „Ja, aber wir Japaner Hiroshima und Nagasaki.“ „Wir Amis hatten Pearl Harbor.“ Respektvoller Umgang mit dem Schicksal dieser Menschen sieht anders aus. Es ist doch traurig, dass Tod und Verderben noch heute in der Politik instrumentalisiert werden. Die Toten verlangen nicht nach Rache, auch wenn die Lebenden das glauben mögen.

9 Antworten to “Das einzige Wesen, das bewiesen hat, dass es sich selbst auslöschen kann…”

  1. Thielus Says:

    schöner Beitrag Adult. Das mit der Machtdemonstration gegenüber den Russen steht in der Tat genauso in Bernd Stövers “Geschichte des Kalten Krieges“. Zu beachten ist außerdem, dass die Amerikaner bei einer Invasion des japanischen Mutterlandes (siehe Operation Downfall) mit bis zu 1,2 Millionen Opfern (innerhalb von ca 180 Tagen) rechneten. Wie bereits von dir erwähnt, wollte man sowas nach den Invasionen von Okinawa und Iwo Jima nicht riskieren, was natürlich keine Entschuldigung ist. Es ist ja nicht so, als wäre das der erste Einsatz von Nuklearwaffen gewesen, die amerikanische Armee hat mehrere baugleiche Modelle von “Little Boy“ und “Fat Man“ erfolgreich getestet und man hätte sich denk ich mal selbst ausrechnen können, was da passieren kann. Das Problem ist, dass im 2.Weltkrieg nach und nach so ziemlich alle moralischen Hemmungen fielen.
    Das Problem mit der fehlenden Ahndung liegt schlicht einfach daran, dass der Sieger die Geschichte bestimmt, und von den Siegermächten, die alle bis heute im Sicherheitsrat der UN als ständige Mitglieder Vetorechte haben (und so eine Untersuchung mal eben abwürgen können), hat sicher keiner ein Interesse daran, ihre eigenen Fehler aufzuarbeiten. Aber wenigstens haben die Japaner draus gelernt, genau wie die Deutschen, und verzichten freiwillig auf sonen Mist, obwohl sies völkerrechtlich gar nicht müssten.

  2. Patrick Says:

    „Das Problem ist, dass im 2.Weltkrieg nach und nach so ziemlich alle moralischen Hemmungen fielen.“ impliziert ein „mehr“ an moralischer Hemmung am Anfgang des Krieges und ein „weniger“ am Ende. Dem kann ich nicht zustimmen, Krieg ist stets unmoralisch, es gibt keine Gewinner, im Endeffekt nur Verlierer. Leider wird man oft heute wenn man sich als Pazifist äußert stets in die Schublade eines hinterwäldschen Weicheis gesteckt, sehe dieses anders, nur der Mutige braucht keine Waffen. Kann Adults Artikel nur gut heißen, der Mann spricht Großes. Mein Interesse für Astronomie rührt u.a. – nicht nur – daher, dass es dem Menschen immer wieder vor Augen führt wie unbedeutend er doch im Endeffekt angesichts der Grenzenlosigkeit von Raum und Zeit ist, wie wichtig wir aber unsere persönlichen Bedürfnisse nehmen, dass es uns Wert ist uns dafür gegenseitig auszulöschen. Kein Tier würde so etwas tun. Adult, weiter so.

  3. Thielus Says:

    momoment, pata, ich sage während des krieges, des weiteren habe ich nirgends behauptet, dass nach dem krieg die moralischen hemmungen geringer waren, im gegenteil, das geschehene hat die menschen sensibilisiert, sonst hätten sich die amerikaner und russen gleich nach der deutschen kapitulation übern haufen geschossen. es ist fakt, dass im zweiten weltkrieg von allen hauptakteuren verbrechen begangen wurden, angefangen mit deutschland, aber auch japan im krieg gegen china (nanjing), den usa, den sowjets (massaker an polnischer intelligenz bzw offizieren beim einmarsch in ostpolen 39). worum es mir geht, ist, dass im krieg, wenn man täglich mit opfern, toten, verwundeten zivilisten/soldaten/feinden konfrontiert wird (und seis nur aus der zeitung), die hemmschwelle sinkt und man abstumpft, weil nach 6 jahren krieg selbiger zum normalzustand geworden ist. Dies bedeutet nicht, dass man per se sagen kann: “die ham böses gemacht, also bleiben sie böse.“ deutschland und japan haben das gegenteil bewiesen.

  4. adulto Says:

    Die Zahl von 1,2 Millionen Opfern auf amerikanischer Seite bei einer eventuellen Invasion Japans ist pure Propaganda um die Atombombe zu rechtfertigen. Diese Zahl tauchte allerdings immer wieder bei Begründungen Trumans und der Regierung auf, hängt auch damit zusammen, dass man nicht zugeben wollte, dass durch die Atombomben mehr Menschen gestorben sind, als das bei einer eventuellen Invasion der Fall gewesen wäre. Die japanische Infrastruktur war im Arsch, genau wie die Flotte und die Luftwaffe, es ist daher auch falsch gewesen, dass sich die gesamte Zivilbevölkerung so verhalten hätte wie die Soldaten auf Iwo Jima und auf Okinawa. Man mag darüber streiten wie stark der Widerstand gewesen wäre, ABER ich habe in meinem Leben nie eine Rechtfertigung für die 2. Atombombe gehört. Zu dem Zeitpunkt gab es wilde Diskussionen in der Regierung Japans, die sicherlich zu einer bedingungslosen Kapitulation geführt hätten. Die zweite Bombe ist auch nicht mit der Machtdemonstration zu begründen, für mich war Nagasaki purer Blutdurst. Die Amerikaner haben ihre Rache für Pearl Harbor bekommen. Die Atombombe zeigt, wozu der Mensch in der Lage ist. Leider ging die Entwicklung in die falsche Richtung, nämlich in eine selbstzerstörerische.

  5. Patrick Says:

    Dazu gibts nen zu Denken gebendes Zitat von A.Einstein ohne den die Wasserstoffbombe garnicht möglich geworden wäre:

    „Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“

  6. adulto Says:

    Schau noch mal nach Pata, Einsteins Rolle bei der Entwicklung der Wasserstoffbombe wird gnadenlos überschätzt als Pazifist, Sozialist und Zionist hatte er kaum Einfluss beim Manhattan Project, er war nur der festen Überzeugung, man müsse die Atombombe vor den Deutschen haben.

  7. Patrick Says:

    An der Entwicklung auf jeden Fall, aber die Bombe baut im Prinzip auf der Einstein´schen Formel E=mc² auf, aber um das ganze aufzudröseln bräuchten wir jetzt Leo. ^^

  8. Anti Says:

    Der ist nur dummerweise im Zeltlager, denke bis nächsten Donnerstag müsstet ihr noch warten 😉

  9. Thielus Says:

    E=mc² hat er aber nicht hergeleitet, um eine Atombombe zu bauen^^
    Adult hat recht, nachdem Otto Hahn 1938 in Berlin die Kernspaltun entdeckten, unterzeichnete er einen von führenden Wissenschaftlern verfassten Brief an den amerikanischen präsidenten Roosevelt, in dem der amerikanische Präsident gewarnt wurde, dass man dieses Feld nicht den Deutschen überlassen dürfe. Das die Deutschen buw Hitler gar keine Atombombe wollten bzw nicht auf ihre Wirkung vertrauten und die Forschung bis Kriegsende im wesentlichen stagnierte, abgesehen von Schwerwasserexperimenten, konnten sie zu dem Zeitpunkt nicht wissen. Einstein war aber nicht in den Prozess der Entwicklung der Bombe eingeweiht und schon gar kein aktiver Mitarbeiter, da er offen mit den Kommunisten sympathisierte und daher ein “Sicherheitsrisiko“ war (unter anderem). Nach Hiroshima und Nagasaki war er einer der führenden Gegner dieser Waffe. Bei Fehlern bitte berichtigen.

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